Trauma

 Es gibt traumatische Erfahrungen, die wir leicht als solche erkennen. Ein schwerer Unfall, körperliche Misshandlungen oder der Verlust eines geliebten Menschen. Doch das Traumaspektrum umfasst viel mehr. Hier findest Du einen Überblick über die wichtigsten Trauma-Arten.

Wichtige Trauma-Arten im Überblick

Schock-Trauma

Beim Begriff Trauma denken die meisten Menschen an das, was man Schocktrauma nennt: ein einzelnes, überwältigendes Ereignis, wie ein schwerer Verkehrsunfall, eine Naturkatastrophe oder ein gewaltsamer Überfall.

Wenn Menschen unter den Folgen eines Schock-Traumas leiden, so ist ihnen dies meist sehr bewusst. Sie können sich an das Ereignis erinnern und die Folgen wie Flashbacks, Vermeidung ähnlicher Situationen oder starke Stimmungs-Schwankungen können sie in klaren Zusammenhang mit dem Schock-Erlebnis bringen.

Komplex-Trauma

Wenn Menschen wiederholt oder über längere Zeit traumatisierten werden – zum Beispiel durch Krieg, Folter oder Missbrauch – spricht man von einem Komplex-Trauma.

Die Auswirkungen sind sehr viel breitgefächerter und in der Regel deutlich gravierender als bei einem Schock-Trauma. Insbesondere dann, wenn die Traumatisierungen durch andere Menschen verursacht werden.

Entwicklungstrauma

Wenn diese komplexen Traumatisierungen in der Kindheit geschehen, dann spricht man von einem Entwicklungstrauma. Diese Form von Trauma hat in den letzten Jahren in der Fachwelt sehr viel Aufmerksamkeit erhalten und wir verstehen immer besser, wie Entwicklungstraumata entstehen und was die Folgen sind.

Die wichtigsten Erkenntnisse der Traumaforschung:

  • Entwicklungstraumata sind sehr verbreitet
  • die Folgen sind sehr vielfältig
  • nicht nur Misshandlungen, sondern auch emotionale Vernachlässigung können zu Entwicklungstraumata führen

Ein Entwicklungstrauma greift tief in die Entwicklung und die Persönlichkeit eines Menschen ein.  Dabei ist den Betroffenen oft nicht bewusst, dass sie an einem Entwicklungstrauma leiden.

Vererbtes Trauma

Es steht inzwischen außer Frage, dass Traumatisierungen über mehrere Generationen vererbt werden. In vielen von uns wirken die Schrecken weiter, die unsere Eltern und Großeltern durch Krieg und Vertreibung erlebt haben.

Traumata wirken

Es gibt also Traumatisierungen, die wir leicht als solche erkennen und derer wir uns in der Regel bewusst sind.

Es gibt aber auch Traumatisierungen, die wir geerbt haben oder an die wir uns nicht erinnern können. Und doch tragen wir die Folgen – als Individuen und als Gesellschaft.

Mehr über Entwicklungstrauma

Traumaforscher gehen davon aus, dass viele Menschen an den Folgen eines Entwicklungstraumas leiden – in unterschiedlichem Ausmaß und in sehr unterschiedlichen Formen. Denn nicht nur Misshandlungen können Traumatisierungen verursachen, sondern auch emotionale Vernachlässigung. 

Kinder brauchen in den ersten Lebensjahren sichere, stabile und stimulierende Beziehungen. Wenn Eltern ihrem Kind dies über längere Zeit nicht geben können – weil sie z.B. schwer erkranken, eine konfliktreiche Trennung durchmachen oder einfach überfordert sind und wenig Unterstützung erhalten – dann kann auch dies seine Spuren im Leben der Kinder hinterlassen.

Wenn Du immer mal wieder den folgenden Schwierigkeiten begegnest, dann könnte ein Entwicklungstrauma die Ursache dafür sein.

Häufige Folgen eines Entwicklungstraumas

Fühlst Du Dich oft unter Druck, bist angespannt und schnell gestresst?  

Hast Du den Drang, alles unter Kontrolle haben zu wollen? Stresst es Dich, wenn etwas Unvorhergesehens passiert?

Leidest Du manchmal an starken Selbstzweifeln, hast Scham- und Schuldgefühle? Die Vorstellung, irgendwie falsch zu sein?

Fällt es Dir schwer, erfüllende Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen? Fühlst Du Dich einsam und unverstanden und neigst dazu, Dich innerlich oder äußerlich zurückzuziehen? 

Fällt es Dir schwer, ruhig und klar Grenzen zu setzen und für Dich einzustehen? Neigst Du dazu, es allen recht machen zu wollen?

Triggern an sich harmlose Erlebnisse starke Emotionen wie Wut, Trauer oder Angst? Und fällt es Dir dann schwer, diese Emotionen zu regulieren und da wieder raus zu kommen?

Fällt es Dir manchmal schwer, Deine  Gefühle und Bedürfnisse wahrzunehmen und effektiv für Dich zu sorgen – ohne agressiv zu werden oder Dich zurück zu ziehen?

Bist Du manchmal ohne jede Hoffnung? Das Leben und die Welt scheinen sinnlos?

Hast Du in Beziehungen immer wieder die gleichen Probleme? Übermäßige Eifersucht und Angst vor dem Verlassen werden? Oder Stress mit emotionaler oder körperlicher Nähe? Hast Du häufig Streit mit Deinem Partner, der zu nichts führt?

„Die Tatsache, dass das Gehirn in den ersten Lebensjahren so schnell wächst, erklärt weshalb sehr junge Kinder besonders in Gefahr sind, anhaltende Traumaschäden zu erleiden: Ihr Gehirn entwickelt sich noch. 

Dieselbe wunderbare Plastizität, die  es einem jungen Gehirn erlaubt, Liebe und Sprache so schnell zu erlernen, macht es leider auch für negative Erfahrungen besonders anfällig.“

Bruce Perry

Psychiater, Kinder-Traumatologe

Auch drastischere Folgen sind möglich

Wenn starke Traumatisierungen schon im Kindheitsalter erlebt werden, so führt dies zu einer Art Domino-Effekt, der die weitere Entwicklung nachhaltig beeinflusst: Struktur und Funktion des Gehirns verändern sich und hormonelle Regelkreise werden bleibend gestört.

Belastende Kindheitserfahrungen können dadurch langfristige Auswirkungen auf den gesamten Organismus haben, Krankheits- und Alterungsprozesse beschleunigen und das Immunsystem beeinträchtigen. So erklärt sich der direkte Zusammenhang zwischen belastenden Erfahrungen in der Kindheit und Krankheiten im Erwachsenenalter, wie sie weltweit unzählige Studien nachweisen.

Menschen mit Entwicklungstraumata haben deutlich höhere Risiken

an Suchtproblemen zu leiden – nach Nikotin, Alkohol, Medikamenten und anderen Drogen

körperliche Folgen wie z.B. Autoimmun-Erkrankungen, Diabetes, Herz-Krankheiten oder Krebs zu entwickeln

an Ess-Störungen wie starkem Übergewicht oder Anorexie zu erkranken
an Depressionen, Panikattacken und anderen psychischen Erkrankungen zu leiden
Selbstmord zu begehen
Ohne Entwicklungstraumata gäbe es
  • weniger Depressionen 52% 52%
  • weniger häusliche Gewalt 52% 52%
  • weniger Selbstmordversuche 58% 58%
  • weniger Alkoholkranke 65% 65%
  • weniger Abhängige von harten Drogen wie Heroin 78% 78%

Weitere Informationsquellen